Die Entscheidung, dieser Änderung des Tierschutzgesetzes zuzustimmen, fällt mir nicht leicht.
Die öffentliche Debatte spüre ich durch eine Vielzahl von Zuschriften, von persönlichen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern und Genossinnen und Genossen. Ein erschwerender Moment in dieser Debatte ist meine fachliche Ferne zu diesem Thema, auch durch die vergleichsweise niedrige Relevanz der Problemstellung in meinem Wahlkreis Saarbrücken.
Dennoch fühle ich natürlich die Verpflichtung an dieser Stelle das große Ganze im Blick zu haben. Ich bin ebenso sehr überrascht, dass ein Bundesministerium wie das für Ernährung und Landwirtschaft zuständige Haus schlicht über Jahre hinweg seine Arbeit nicht erledigt. Fünf Jahre lang war Zeit, nachdem die schwarz-gelbe Regierung den derzeitigen Beschluss entschied, sich um Alternativen für die betäubungslose Ferkelkastration zu kümmern. Es stellt sich die Frage, warum in den letzten fünf Jahren solche Lösungen nicht genutzt und tragfähig entwickelt werden konnten. Obwohl intensive Diskussionen nicht nur im politischen Raum geführt wurden, vor allem von uns immer wieder eingefordert wurden, hat sich das zuständige Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam mit den betroffenen Verbänden, Einzelhändlern und Schlachtereien weggeduckt. Nun wird eine endgültige Entscheidung wasserdicht getroffen.
Mit diesem Gesetz nun also geht es um eine Verlängerung der Übergangsfrist zur betäubungslosen Kastration von Ferkeln bis 2020. Das ist notwendig geworden, weil die SPD-Bundestagfraktion im Oktober dieses Jahres vor der Entscheidung stand: Entweder gefährdet die Fraktion durch das Auslaufen der Übergangsfristen vor allem kleine und mittlere Ferkelzuchtbetriebe in ihrer Existenz – denn dann wären im Ausland gezüchtete Ferkel nach Deutschland importiert worden, die auf eine Art kastriert worden sind, die dem deutschen Tierschutzgesetz nicht entspricht. Oder die Fraktion stimmt einer Fristverlängerung zu, die die Existenz der Ferkelzüchter in Deutschland sichert und holt bei den Verhandlungen wichtige Punkte für den Tierschutz heraus. Außerdem könnte sie rechtssicher festlegen, dass spätestens zum 31. Dezember 2020 Schluss ist mit betäubungsloser Kastration.
Die SPD-Fraktion hat sich für letztere Möglichkeit entschieden und dabei zusätzliche Verbesserungen erreicht:
• dass das Bundeslandwirtschaftsministerium wird mit einer Rechtsverordnung endlich zum Handeln verpflichtet wird – nachdem es über Jahre hinweg durch Nichtstun eine unsichere Situation für die Ferkelzüchter herbeigeführt hat;
• dass der hohe Tierschutz-Standard von NEULAND (Betäubung mittels Masken) zukünftig bundesweit als praxistaugliche Alternative zur Verfügung steht,
• dass eine Informationskampagne durchgeführt wird, damit auch andere Alternativen wie die Ebermast oder Impfung (Immunokastration) eine realistische Chance am Markt bekommen;
• dass es Unterstützung für die Ferkelzüchter bei der Einführung der neuen Betäubungsmethoden geben wird;
• dass die Koalition eine Informationskampagne und ein Förderprogramm zur Unterstützung bei der Anschaffung der Narkosegeräte auflegt, um vor allem kleine und mittlere Betriebe zu unterstützen.
Vor diesem Hintergrund und nach Abwägung der Interessen der Ferkelzüchter und des Tierschutzes, habe ich mich entschieden, der Verlängerung der Übergangsfrist bis spätestens zum 31. Dezember 2020 letztmalig zustimmen.
Berlin, 29. November 2018
Josephine Ortleb